
Wie im Lehmformverfahren bei Bachert eine Glocke entsteht
Seit 1725 werden bei Bachert Glocken im traditionellen Lehmformverfahren gegossen – jede einzelne als unverwechselbares Unikat. Die Form wird dabei nur ein einziges Mal verwendet und nach dem Guss zerstört. So entsteht aus Erde, Feuer und Bronze ein Instrument, das über Generationen hinweg zum Gebet ruft.
Im Folgenden zeigen wir Schritt für Schritt, wie in unserer Gießerei eine Bachert-Glocke entsteht.
Schritt 1: Der Klang wird zur Linie – die „Rippe“
Am Anfang steht nicht die Form, sondern der Klang. Für jede Glocke wird zunächst ihr Ton bestimmt – etwa als Teil eines vorhandenen Geläuts oder eines neuen Klangkonzepts. Aus diesem gewünschten Ton ergibt sich die sogenannte Rippe: ein exakt berechnetes Profil der Glockenform.
Diese Rippe wird auf ein Holzbrett gezeichnet und sorgfältig ausgeschnitten. Sie dient später als Schablone und wird um die Achse der Glocke herumgeführt. So erhält die Glocke ihre charakteristische Wandstärke und Silhouette – entscheidend für Klang und Stabilität.

Schritt 2: Der Glockenkern – das innere „Negativ“
Nun entsteht der Kern, also das innere Gegenstück zur Glocke.
- Aus Ziegelsteinen wird ein runder Körper gemauert.
- Dieser wird mit Lehm, Wasser und Zusätzen wie Stroh oder Tierhaaren aufgebaut und glatt gezogen.
- Die Rippe dient als Kontrolle: Sie wird drehbar an einer Spindel befestigt und zeigt genau, wo noch Material fehlt oder zu viel ist.
Der Kern bildet später die Innenseite der Glocke ab – dort, wo der Klang entsteht. Er muss absolut stabil und exakt geformt sein, denn er trägt die gesamte Form beim Guss.


Schritt 3: Die „falsche Glocke“ – der erste Glockenkörper aus Lehm
Auf den getrockneten Kern wird nun in mehreren Schichten Lehm aufgetragen. Wieder arbeitet der Gießer mit der Rippe:
- Schicht für Schicht entsteht außen auf dem Kern eine Lehmglocke – die sogenannte falsche Glocke.
- Sie hat genau die Größe und Form der späteren Bronzeglocke.
Diese falsche Glocke ist der eigentliche „Prototyp“: An ihr werden alle Details der äußeren Form kontrolliert und optimiert.



Schritt 4: Der Mantel – die äußere Form
Auf die fertige falsche Glocke wird anschließend der Mantel aufgebaut:
- Wieder kommen Lehm, Sand und organische Zusätze zum Einsatz.
- Zunächst etwas grober, dann immer feiner, bis eine kompakte, widerstandsfähige Hülle entsteht.
- Oben wird die Form durch die Krone (Aufhängung der Glocke) ergänzt, die in einer gesonderten Form modelliert und mit dem Mantel verbunden wird.
Nach dem Trocknen wird der Mantel wie eine große Haube vorsichtig abgehoben. Dann wird die falsche Glocke entfernt. Der Mantel wird wieder auf den Kern gesetzt – dazwischen bleibt nun der Hohlraum, in dem später die Bronze zur Glocke erstarrt.
Schritt 5: Reliefs, Inschriften und Symbole > Glockenzier
Noch bevor der Mantel endgültig geschlossen wird, bekommt die Glocke ihr „Gesicht“:
- Inschriften (z. B. Widmungen, Bibelworte, Jahreszahlen)
- Ornamente, Wappen oder Reliefs
- Künstlerische Gestaltungen, etwa von Bildhauern oder regionalen Künstlern
Die Elemente einer Glockenzier werden als Modelle aus Wachs oder Modelliermasse geschaffen und auf der falschen Glocke angebracht. Beim Bau des Mantels prägen sie sich in die Innenfläche ein – später erscheinen sie erhaben in der fertigen Bronzeglocke.



Schritt 6: Trocknen und Vorbereiten des Gusses
Die komplette Form – Kern und Mantel – muss nun gründlich trocknen. Restfeuchtigkeit wäre beim Guss gefährlich, da Wasserdampf zu Explosionen führen kann.
Ist die Form trocken, wird sie in der Glockengrube in der Gießhalle eingesetzt und mit Erde fest umpackt. Nur die Öffnungen für den Einguss und die Luftkanäle bleiben sichtbar. Die Glocke ist nun bereit für den großen Moment: den Guss.

Schritt 7: Der Glockenguss – Bronze in der Form
Für Glocken wird eine spezielle Glockenbronze verwendet – eine Legierung aus etwa 78 % Kupfer und 22 % Zinn. Diese Mischung hat sich seit Jahrhunderten bewährt und sorgt für Tragfähigkeit, Härte und den charakteristischen Glockenklang.
- In unserem Schmelzofen wird die Bronze auf über 1.000 °C erhitzt.
- Nach sorgfältiger Kontrolle der Temperatur und Zusammensetzung öffnet der Gießer den Ofen.
- In einem ruhigen, konzentrierten Arbeitsgang fließt die Bronze in die Form – ein Moment, der trotz aller Routine immer eine besondere Spannung in sich trägt.
Anschließend muss die Glocke mehrere Tage in der Form abkühlen und zur Ruhe kommen.



Schritt 8: Ausgraben, Ausformen, erster Blick
Ist die Bronze erstarrt und ausreichend abgekühlt, wird die Form in der Grube wieder freigelegt:
- Die Erde wird abgetragen, Kern und Mantel werden vorsichtig entfernt.
- Die Lehmform wird dabei zerstört – sie kann nur ein einziges Mal verwendet werden.
Zum Vorschein kommt die neue Glocke. Noch ist sie von Lehmresten und Gussnähten bedeckt, aber der erste Eindruck von Form und Relief wird sichtbar. Jede Glocke ist ein Einzelstück – in ihrer Gestaltung, in ihren Inschriften und vor allem in ihrem Klang.

Schritt 9: Reinigen, Nachbearbeiten und Stimmen
Jetzt beginnt die Feinarbeit:
- Die Glocke wird gereinigt, Grate und Gussnähte werden entfernt.
- Die Oberfläche wird geglättet, Reliefs und Schriftzüge werden sorgfältig freigelegt.
- Im Anschluss folgt das Stimmen der Glocke: Durch gezieltes Abtragen von Material an der Innenseite wird der Klang so korrigiert, dass die Teiltöne genau zueinander passen und die Glocke sich harmonisch in das bestehende Geläut einfügt.
Am Ende dieses Prozesses steht ein Klang, der nicht nur technisch stimmt, sondern – ganz im Sinne kirchlicher Tradition – auch theologisch und musikalisch „eine Stimme im Chor der Glocken“ übernimmt.




Die Oberfläche wird geglättet, Reliefs und Schriftzüge werden sorgfältig freigelegt
Schritt 10: Aufhängung, Montage und erster Vollklang
Schließlich wird die Glocke mit ihrem Joch (meist Holz oder Stahl) verbunden und für ihren Einsatz im Turm vorbereitet. Gemeinsam mit den Glockensachverständigen vor Ort wird sie installiert und in die Läuteordnung eingebunden.
Der Moment, in dem eine neue Bachert-Glocke zum ersten Mal im Turm erklingt, ist immer etwas Besonderes:
- für die Gemeinde,
- für die Spenderinnen und Spender,
- und auch für unsere Gießerinnen und Gießer, die den Weg der Glocke von der ersten Linie der Rippe bis zum fertigen Klang begleitet haben.
So verbindet das traditionelle Lehmformverfahren bei Bachert Handwerk, Kunst und Glauben – jede Glocke als unverwechselbare Stimme, die weit über den Ort hinaus zu hören ist.









