Wenn eine Kirchenglocke läutet, erleben wir den Klang ganz selbstverständlich – aber was passiert dabei eigentlich physikalisch? Wie entsteht der hörbare Ton, der uns vertraut ist und sich über weite Entfernungen trägt?

1. Der Schlag des Klöppels

Am Anfang steht ein kurzer, kräftiger Moment:
Der Klöppel schlägt von innen gegen die Wand der Glocke.

  • Dabei entsteht ein sehr kurzer Stoß.
  • Dieser Stoß versetzt die Glockenwand in Schwingung.

Nicht der Klöppel „klingt“, sondern die Glocke selbst – so wie bei einer Stimmgabel nicht der Schlägel, sondern der Metallkörper schwingt.

2. Die Glocke gerät in Schwingung

Die Glocke besteht aus Glockenbronze, einer sehr harten und dichten Metalllegierung aus Kupfer und Zinn. Dieses Material eignet sich besonders gut, weil

  • es Schwingungen lange halten kann (der Ton klingt „nach“),
  • und sich sehr genau berechnen und abstimmen lässt.

Nach dem Schlag des Klöppels schwingt die Glockenwand in vielen kleinen Bewegungen hin und her. Diese Schwingungen breiten sich über die gesamte Glocke aus – sie schwingt als Ganzes, aber in unterschiedlichen Bereichen und „Mustern“.

Je nach Form (Rippe), Wandstärke und Größe der Glocke ergeben sich andere Schwingungen – und damit ein anderer Klang.

3. Von der schwingenden Glocke zur Schallwelle

Die schwingende Glocke versetzt die umgebende Luft in Bewegung. Man kann sich das wie kleine Druckwellenvorstellen:

  • Wo sich die Glockenwand nach außen bewegt, wird die Luft leicht zusammengedrückt.
  • Wo die Wand zurückschwingt, entspannt sich die Luft wieder.

Diese abwechselnden Verdichtungen und Verdünnungen der Luft breiten sich als Schallwellen aus – sie bewegen sich in alle Richtungen vom Turm weg.

Trifft diese Schallwelle auf unser Ohr, bringt sie unser Trommelfell zum Schwingen – daraus wird im Gehirn das, was wir als Ton der Glocke wahrnehmen.

4. Warum eine Glocke nicht nur „einen“ Ton hat

Eine Glocke klingt nicht wie ein einzelner, reiner Ton (z. B. eine Stimmgabel), sondern eher wie ein kleiner Akkord in sich selbst.

In der Glocke schwingen gleichzeitig verschiedene Bereiche mit unterschiedlichen Frequenzen. Man spricht von Teiltönen (oder Obertönen). Wichtig sind zum Beispiel:

  • die Unteroktave (auch Hum oder tiefer Schlagton genannt),
  • der Schlagton (Nominal), den wir als Tonhöhe der Glocke wahrnehmen,
  • die Prime (Oktave über der Unteroktave),
  • die Terz,
  • die Quinte,
  • die Oberoktave und weitere höhere Teiltöne.

Der Schlagton ist dabei ein gehörter Ton: Er entsteht im Ohr des Hörers aus dem Zusammenklang dieser Teiltöne – er ist in der Glocke oft nicht als einzelne, messbare Frequenz vorhanden, prägt aber die benannte Tonhöhe der Glocke. 

Durch die Berechnung der Rippe (Form) und das Stimmen nach dem Guss wird erreicht, dass diese Teiltöne in einem harmonischen Verhältnis zueinander stehen. So erhält jede Glocke ihren typischen, „runden“ Glockenklang.

5. Wovon Lautstärke und Klangfarbe abhängen

Mehrere Faktoren bestimmen, wie wir den Ton einer Glocke erleben:

  • Größe und Gewicht: große, schwere Glocken klingen tiefer und tragen weiter.
  • Form (Rippe): kleine Änderungen der Wandstärke oder der Krümmung beeinflussen Teiltöne und Klangfarbe.
  • Material: Glockenbronze klingt anders als Stahl oder andere Metalle.
  • Anschlagstelle und bewegter Klöppel: zu tief, zu hoch oder zu hart angeschlagen verändert Klang und Lebensdauer.
  • Aufhängung und Joch: wie die Glocke im Turm geführt wird, beeinflusst ebenfalls den Gesamtklang des Geläuts.

6. Der Klang im Geläut

Selten hängt eine Glocke allein im Turm. Meist bildet sie mit anderen Glocken ein Geläut.

Dann kommt ein weiterer Aspekt hinzu: Die einzelnen Glocken müssen zueinander passen – im Schlagton, in den Teiltönen und in der Lautstärke. Ein gut abgestimmtes Geläut klingt nicht zufällig, sondern wie eine bewusst komponierte Klangfolge – vom tiefen Fundament der Unteroktaven bis zu den helleren Stimmen der Oberoktaven.